Reviewed by Lukas Thommen, Universität Basel (lukas.thommen@unibas.ch)
Dieser Sammelband geht auf eine Konferenz vom Oktober 2014 in Berlin zurück und umfasst dreizehn Beiträge zur Umweltgeschichte der Antike, wobei die griechische und römische Welt im Vordergrund stehen. Der Fokus richtet sich auf Formen und Umfang von Umweltverschmutzung und geht der Frage nach, wie auf dieses Problem reagiert wurde. Mehrere Beiträge legen nahe, dass der Grad der Ausbeutung der Natur höher ist, als in der Forschung der letzten Jahre des Öfteren angenommen, und die Schäden der Umwelt dementsprechend auch mehr negative Rückwirkungen auf die Menschen hatten. Dies wird insbesondere im Zusammenhang mit der Luft- und Gewässerverschmutzung, aber auch mit dem Holzverschleiss deutlich. Zudem legen einige Autoren nahe, dass sich daraus ein bemerkenswertes Problembewusstsein ableitete und etliche Massnahmen zum Schutz vor Verschmutzungen ergriffen wurden (18-19, 40-42, 55-57, 69, 74-79, 93). Das führt in einigen Fällen sogar dazu, bereits für die Antike eine Art ökologisches Denken anzunehmen (12, 55, 58, 62, 211) oder in der damaligen Zeit die Grundlagen für moderne Umweltauffassungen zu verankern (110, 114, 127). Ein grundsätzliches Problem ist dabei, dass weder der Begriff der Ökologie noch der zentrale Terminus der pollution– abgesehen von einer kurzen Erläuterung im Artikel von Alain Bresson (179) – näher definiert werden. Die Beiträge sind in vier verschiedene Blöcke eingeteilt, die aber keine klaren thematischen Unterschiede erkennen lassen, auch wenn die Verschmutzungen konkret im Zusammenhang mit Rechtsquellen (1), mit literarischen und epigraphischen Quellen (2), mit Krankheiten (3) und mit materieller Evidenz (4) behandelt werden sollen. Oft wird in den einzelnen Aufsätzen mit denselben oder ähnlichen Quellen und Beispielen operiert. Aus der Fülle der vereinigten Fälle von Verschmutzung und Gegenmassnahmen ergibt sich insgesamt aber auch eine wertvolle Sammlung für eine weiterführende, differenzierte Beschäftigung mit Umweltproblemen in der Antike. Die Einleitung der Herausgeber macht anhand des Jagdmosaiks in der spätantiken Villa Casale von Piazza Armerina (Sizilien) einen grundsätzlichen Konflikt im Umweltverhalten der Römer deutlich. Mitten in der groß angelegten Jagd von exotischen Tieren bedroht ein Greif einen Jäger, der sich in einer Kiste versteckt hat. Dies wirft Fragen nach der Beherrschung und Rache der Natur, aber auch nach einer „fairen" Auseinandersetzung mit den Tieren hervor (13-18). Nach einer kurzen Erläuterung von Struktur und Inhalt des Bandes (20-21) folgt eine ebenso kurze, kommentierte Bibliographie mit neueren Arbeiten zur Umweltgeschichte (22-24). Cristina Simonetti macht eingangs klar, dass schon im antiken Mesopotamien Maßnahmen zum Schutz von Wasserkanälen ergriffen worden waren und Private vor Übergriffen der Nachbarn auf ihr eigenes Grundstück bewahrt werden sollten. Zudem wurde das Wasser hier bereits mit Gottheiten assoziiert, die entsprechend schützend oder bedrohlich wirken konnten (35). Anschließend führt Luigi Capogrossi Colognesi einige weiterführende Vorkehrungen der Römer gegen Wasser- und Luftverschmutzung auf, die bis auf das Zwölftafelgesetz aus dem mittleren 5. Jh. v.Chr. zurückgehen (37-38). Diese werden auch in den Beiträgen von Gian Franco Chiai und Arnaldo Marcone aufgegriffen. Während Chiai den religiösen Schutz der Gewässer durch Gottheiten betont (71-79), stellt Marcone mit dem Beginn der römischen Kaiserzeit eine erhöhte Sensibilität gegenüber Verunreinigungen (93) und dementsprechende Verbote und Vorschriften fest (84-94). Schließlich erörtert Edoardo Bianchi auch Maßnahmen zum Schutz vor Tiber-Überschwemmungen – insbesondere zur Zeit des Augustus und Tiberius, unter denen spezielle curatores zur Regulierung des Flusses eingesetzt wurden. Cinzia Bearzot wendet sich der klimatischen Begrifflichkeit in der hippokratischen Schrift „Über die Umwelt" zu und leitet daraus ein ökologisches Bewusstsein (55) und entsprechende Mäßigung im Verhalten (58) ab. Dies soll sich auch in Verboten von Gewässerverschmutzung ausgewirkt haben, deren Wirksamkeit allerdings eine allzu optimistische Sicht entgegengebracht wird (55). Orietta Dora Cordovana untersucht in der „Naturgeschichte" des Älteren Plinius die Erwartungen, die der Autor an das Umweltverhalten seiner Zeitgenossen richtet, und stellt dabei Forderungen fest, die deutlich über moralische Appelle hinausgehen und zur Schonung von Ressourcen anhalten (127). Einen interessanten Vergleich zwischen der Umweltauffassung der Römer und der des monastischen bzw. christlichen Mittelalters stellt Luca Montecchio an. Nach der pragmatischen Auseinandersetzung der Römer mit der zu gestaltenden Natur zeichnet sich im Christentum zunächst eine gewisse Distanz zur Umwelt und zugleich eine verringerte Ressourcenausbeutung ab, bis sich mit Franz von Assisi schließlich die Ansicht von der Natur als Wunderschöpfung Gottes durchsetzte (149). Elizabeth Craik wendet sich dem Problem der Malaria zu, das aufgrund der zahlreichen Sümpfe und stehenden Gewässer in der Antike weit verbreitet war und schon in den hippokratischen Schriften differenziert umschrieben wurde (157, 160-161). Eine ganze Palette von Krankheiten im Zusammenhang mit der Ausbeutung und Verschmutzung der Natur – etwa durch Bergbau – ist in den ägyptischen Papyri zu fassen, die von Isabella Andorlini zur Sprache gebracht werden. Besonders auffällig sind die Lungenkrankheiten, die bei der gewerblichen Verarbeitung von Flachs an der Tagesordnung waren (172-173). Alain Bresson beschäftigt sich detailliert mit Zeugnissen, welche die Verschmutzung der Luft durch Rauch von Holz, Holzkohle und Kohle als zentralen Brennstoffen der Römer zum Ausdruck bringen. Besonders wertvoll ist seine Auswertung von naturwissenschaftlichen Untersuchungen zu Schädel- und Rippenveränderungen, die auf chronische Nasennebenhöhlen- und Lungenfellentzündungen zurückgeführt werden (182-183). Im Weiteren werden auch Messungen an Skeletten, die für die römische Zeit eine erhöhte Akkumulation von Blei belegen, aufgeführt (188-197). Diese Werte verlaufen parallel zum vermehrten Blei-Abbau (192) und werden gegenüber jüngeren Forschungen wieder verstärkt auf die bleiernen Wasserrohre zurückgeführt (195), ohne sie aber für den Untergang des römischen Reiches verantwortlich zu machen (190). Anschließend greift J. Donald Hughes das viel behandelte Thema der Entwaldung in der Antike auf und propagiert eine ausgewogene Sicht, die sowohl beträchtliche Schäden als auch Schutzmaßnahmen in Rechnung stellt (211-215) und im Zusammenhang mit dem Holzbau zugleich auf das Problem von Erosion und Luftverschmutzung hinweist (209-211, 215). Zum Schluss folgt ein ausführlicher Beitrag von Jocelyne Nelis- Clément zu den römischen Arena-Spielen, bei denen nicht nur die abgeschlachteten Tiere, sondern auch alle anderen Umweltimplikationen – sogar im Vergleich mit modernen sportlichen Massenveranstaltungen (219-221, 255) – in Betracht gezogen werden. Hier wird über die Bedrohung einzelner Tierarten wie der Löwen (252) und Flusspferde (255) hinaus der enorme Ressourcenverschleiß durch die Infrastrukturanlagen deutlich (231-233), ohne dass daraus eine eigentliche Bilanz gezogen oder eine ethische Beurteilung abgeleitet werden soll. Hier eröffnet sich wie in vielen anderen Beiträgen ein nützliches Reservoir an Quellen und Hinweisen, die auch in Zukunft für den Umgang mit der Natur in der Antike von Nutzen sind. Eine Gesamtbilanz zur Umweltverschmutzung in der griechischen und römischen Welt kann der Kongressband naturgemäß nicht ziehen, so dass diese Aufgabe einschlägigen, systematischen Monographien überlassen bleibt.
No comments:
Post a Comment
Note: Only a member of this blog may post a comment.