Reviewed by Stefan Bojowald, Ägyptologisches Seminar der Universität Bonn (stefan.bojowald@t-online.de)
In dieser Rezension wird die überarbeitete Fassung der Dissertation der Autorin aus dem Jahr 2016 besprochen, die sich mit dem Sarkophag der Gottesgemahlin Anchnesneferibre aus der ägyptischen Spätzeit beschäftigt. Der Sarg wurde 1832 auf der Westseite des thebanischen Nilufers entdeckt und wird heute im British Museum/London aufbewahrt. Die bisherige Publikation des Objektes durch Sander-Hansen aus dem Jahr 1939 kann zu Recht als veraltet gelten, so dass die Neuauflage absolut zu begrüßen ist. Der Aufbau der Arbeit hält folgendes Schema ein: In Kap. 1 werden einführende Bemerkungen vorangestellt. Die Informationen zur Person der Sargbesitzerin werden abgeklärt, die zum Königshaus der 26. Dyn. gehörte und von 584 bis 526 v. Chr. als letzte Vertreterin der Institution das Amt der Gottesgemahlin bekleidete (1-2). Die archäologischen Denkmäler der Dame werden genannt, die neben dem Sarkophag eine Adoptionsstele (JE 36907), Kapelle im Tempel von Medinet Habu, Osiriskapelle im Nord-bereich von Karnak und Statue einschließen (2). Die technischen Daten des Sarges selbst (Material, Maße, Erhaltungszustand etc.) werden zusammengetragen (3-5). Die wichtigsten Fakten zum Dekorationsprogramm des Sarges werden beschrieben, das überwiegend Text-zeilen, aber auch drei bildliche Darstellungen umfasst (5). Die Usurpation des Sarges durch den Beamten Pamonth in augusteischer Zeit wird zur Sprache gebracht, die zu Ergänzungen in der Dekoration geführt hat (6-8). Der letzte Fundort des Sarges in Grab 2003/Deir el-Me-dineh wird als Hinweis auf die dortige Bestattung der Anchnesneferibre gedeutet (11-14), was in Anbetracht der Lage der Dinge Spekulation bleiben muss. Die Inschriften des Sarkophages werden in vier Teile segmentiert: a) klassisch funeräre Texte/Außenseite der Decke; b) rituel-le Inschriften zu Balsamierung und Bestattung/Außenseite der Wanne; c) Klagetexte und Ver-klärungen/Unterseite des Deckels; d) apotropäische Sprüche/Innenseite der Wanne (14). Die fortlaufende Zeilennummerierung von Sander-Hansen wird durch eine Anordnung in Text-feldern (I-IV) ersetzt (15), was methodisch ohne weiteres vertretbar ist. Die Variation der Le-serichtung der Inschriften wird als besonders nennenswerter Umstand erwähnt (16). In Kap. 2 als eigentlichem Hauptteil der Studie kommt es zur Bearbeitung der Inschriften des Sarges, die mit Positionsangaben, Hieroglyphen, Transliteration und Übersetzung vor Augen geführt werden. Der inhaltliche und philologische Kommentar schließt sich in der erforderli-chen Länge an. In Kap. 3 wird das Textprogramm des Sarkophages einer genaueren Analyse unterzogen. Die Strukturierung des Textes wird unter Verweis auf Gliederungselemente wie z. B. Spatien und kanonische Abfolge von Sprüchen eindeutig bejaht (471). Die Deckeltexte (Auszüge aus ś3ḫ.w II, TB-Kapitel 136 A/B, liturgischer Teil der 9. Stunde des Stundenrituals, Buch zur Verklärung des Ach) besitzen die meisten Parallelen zu anderen Quellen, die zumeist aus Gräbern und funerären Papyri stammen (475). Der liturgische Teil zur 9. Tagesstunde steht den Versionen in den griechisch-römischen Tempeln von Edfu, Dendera und Armant nahe (477). Der Hauptakzent der Texte auf den Außenseiten des Deckels wird auf Verklärung, Wiederbelebung und Gemeinschaft mit dem Sonnengott liegend erkannt (478). Der Charakter der Inschriften auf den Außenseiten der Wanne wird als rituell bestimmt (479). Die Identifizierung der Verstorbenen mit Osiris auf den Außenseiten der Wanne wird als besonders prominent bezeichnet (481). Der zentrale Rang des Motivs der Feindabwehr/-vernichtung in den Texten auf den Innenseiten der Wanne wird ausdrücklich hervorgehoben (483). In Kap. 4 werden hilfreicher Weise Synopsen von den auf dem Sarg verwendeten Auszügen aus den spätzeitlichen Totenliturgien (485-504) und den beiden Totenbuchkapiteln 136 A/B (505-541) geboten. In Kap. 5 werden Verzeichnisse und Indices geliefert, unter denen u. a. Zeichenkonkordanz zu Sander-Hansen (546-548), Wortindex (549-572) und Literaturverzeichnis (573-618) subsumiert werden. Die Arbeit kann abschließend als grundsolide bewertet werden. Die Transliterationen zeichnen sich durch große Genauigkeit aus. Die Übersetzungen wissen durch Exaktheit zu überzeugen. Die sachlichen Argumente werden wohl durchdacht vorgebracht. Das Werk besticht durch gute Kenntnisse der Sekundärliteratur. Die Fakten und Hintergründe zum Sarg werden breitest möglich berücksichtigt. Die Studie wird auf Jahre hinaus als Referenzwerk dienen. Das Buch kann daher voll und ganz zur Kenntnisnahme empfohlen werden.
25: zur Schreibung „ḳ3ś" für „ḳrś" „begraben" vgl. Anthony Leahy, An unusual spelling of ḳrś.t, Göttinger Miszellen 31 (1979), 67-72
das Verb „śb3" könnte auch eine Schreibung für „bśi" „einführen o. ä." sein, vgl. Richard Jasnow/Karl-Theodor Zauzich, The Ancient Book of Thot, A Demotic Discourse on Knowledge and Pendant to the Classical Hermetica, Volume 1: Text (Wiesbaden, 2005), 299
110: zur Schreibung „i3" für „i3rw" „Binsen" vgl. M. A. Moret, Sarcophages de l´ Époche Bubastide a l´ Époche Saite, Tome Premier, Catalogue Général des Antiquités Égyptiennes du Musée de Caire Nos 41001 – 41041 (Le Caire, 1913), 238
111: zur Verlesung der „Böschung" (Gardiner Sign-list N 29) in die „Laufenden Beine" (Gardiner Sign-list D 54) bei „ʿ ḳ" „eintreten" vgl. Nicolas C. Grimal, Quatre stèles napatéennes au Musée du Caire JE 48863-48866, Textes et Indices, Études sur la Propaganda Royal Égyptienne II, Mémoires Publiés par les Membres de l´Institut Français d´ Archéologie Orientale du Caire 106 (Caire, 1981), 29; Joshua A. Roberson, The ancient Egyptian Books of the Earth, Wilbour Studies in Egypt and ancient Western Asia, Volume 1 (Atlanta, 2012), 135
137: zur Verschreibung zwischen „nb" und „k" vgl. z. B. K. A. Kitchen, Ramesside Inscriptions, Historical and Biographical IV (Oxford, 1982), 29, 2
152: zu „śpḥ" „mit Lasso fangen" vgl. Hans–Werner Fischer–Elfert, Magika Hieratika in Berlin, Hannover, Heidelberg und München, Mit einem Beitrag von Myriam Krutsch, Ägyptische und Orientalische Papyri und Handschriften des Ägyptischen Museums und Papyrussammlung Berlin, Band 2 (Berlin, 2015), 183
237: zur Schreibung „n" für „in" in der Redeeinleitung „ḏd mdw in" „Worte zu sprechen durch…" vgl. Dieter Kurth, Der Sarg der Teüris, Eine Studie zum Totenglauben im römerzeitlichen Ägypten, Aegyptiaca Treverensia VI (Mainz, 1990), 3a
370: zu einer weiteren Parallele für den Spruch zum Schutz durch die vier Horus-Kinder vgl. jetzt Robert K. Ritner, King Petemenekh, New Kingdom Royal Sarcophagi Texts on a Private Coffin, in: Kim Ryholt/Gojko Barjamovic (Ed.), Problems of Canonicity and Identity Formation in Ancient Egypt and Mesopotamia, CNI Publications 43 (Copenhagen, 2016), 186
433: zur Verbindung zwischen „b3" „Ba" und „kkw" „Finsternis" vgl. Christoffer Theis, Magie und Raum, Der magische Schutz ausgewählter Räume im alten Ägypten nebst einem Vergleich zu angrenzenden Kulturbereichen, Orientalische Religionen in der Antike 13 (Tübingen, 2014), 361
440: zur Auslassung des „m" vgl. z. B. Joshua A. Roberson, The Awakening of Osiris and the Transit of the Solar Barques, Royal Aptheosis in a Most Concise Book of the Underworld and Sky, Orbis Biblicus et Orientalis 262 (Fribourg: CH-Göttingen, 2013), 41
465: zur Schreibung „3h.t" für die „ih.t"-Kuh vgl. ähnlich Sandra L. Lippert, „Les divinités du Fayoum à Hibis", in: Nadine Quenouille (Hrsg.), Von der Pharaonenzeit bis zur Spätantike, Kulturelle Vielfalt im Fayum, Akten der 5. Internationalen Fayum-Konferenz, 29. Mai bis 1. Juni 2013, Leipzig (Wiesbaden, 2015), 78; zur Schreibung „3h3" für „ih" vgl. Jan Assmann, Liturgische Lieder an den Sonnengott. Untersuchungen zur altägyptischen Hymnik I, Münchner Ägyptologische Studien 19 (Berlin, 1969), 215
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