Reviewed by Frauke Weiershäuser, Universität Heidelberg (rauke.weiershaeuser@ori.uni-heidelberg.de)
Sherry Lou Macgregor präsentiert in diesem Buch einen umfassenden Überblick über die Frauen der neuassyrischen Zeit, welche am Königshof oder in einem Tempel lebten, dort eine öffentliche Funktion wahrnahmen oder zumindest in einer Form öffentlich auftraten, die sich in den schriftlichen oder archäologischen Quellen niederschlug. Der Band bietet eine Fülle von Informationen über die Frauen dieser Epoche und eröffnet durch die gut gelungene Verbindung von archäologischen und philologischen Quellen interessante neue Einblicke in ihr Leben und Wirken. Hervorzuheben ist insbesondere der Ansatz der Autorin, nicht nur die Frauen der königlichen Familie zu behandeln, sondern auch die Verwalterinnen der Paläste, Schreiberinnen, Musikerinnen sowie weiteres Personal, das im Dienst der hochrangigen Damen und der Könige stand, anzusprechen. Es wird nicht nur gezeigt, daß die Frauen des assyrischen Herrscherhauses über beachtlichen Besitz und Wohlstand verfügten, sondern dem Leser wird auch ein Eindruck vermittelt von der komplexen Organisation, die zur Verwaltung dieses Besitzes nötig war. Darüber hinaus wird gezeigt, daß auf den verschiedenen Ebenen dieser Verwaltung auch Frauen in prominenter Position aktiv waren, daß die Frauen dieser Zeit also nicht nur weitgehend passive Ehefrauen und Mütter waren sondern durchaus aktiv im Berufsleben standen. In Kapitel I werden zum einen die Frauen vorgestellt und besprochen, welche am Tempel verschiedene Priesterämter oder andere offizielle Funktionen wahrnahmen, und zum anderen jene Frauen, die als Prophetinnen auftraten und als Überbringerinnen einer göttlichen Botschaft Zugang zum Herrscher bekamen. Einzeln besprochen werden vier verschiedene, mit ihrem akkadischen Titel vorgestellte Personengruppen. Als erste wird die Entu erwähnt, eine hohe Priesterin, über deren genaue Funktion in neuassyrischer Zeit ebensowenig bekannt ist wie über ihre Funktion in früheren Epochen. Es folgt die Šēlûtu, eine Frau von oftmals eher geringem Status, die von ihren Eltern oder einer anderen Person wie der Königin einem Tempel geweiht wurde. Der nächste Abschnitte behandelt die Ištarītu, die mit dem Kult der Ištar verbunden war, in neuassyrischer Zeit jedoch offenbar ein negatives Image hatte und in Verbindung mit Hexerei und Zauberei gebracht wurde. Als letztes wird die Qadištu besprochen, über deren Aufgabenbereich und Funktion im Kult etwas mehr bekannt ist; sie war insbesondere an Reinigungsriten beteiligt und arbeitete mit dem Mašmaššu, dem Beschwörungspriester, zusammen. Ausführlich werden danach die Prophetinnen vorgestellt, Frauen, die oftmals ohne eine professionelle Ausbildung Botschaften der Götter empfingen, und für welche die Quellenlage insbesondere aus der Zeit der Könige Asarhaddon und Assurbanipal besser ist als für andere im Umfeld der Tempel beschäftigte Frauen. Kapitel II widmet sich den Musikerinnen, die in höfischen Kontexten auftraten. Diese Musikerinnen waren häufig keine Assyrerinnen, sondern Frauen der im Krieg unterworfenen Völker, welche als Teil der Beute oder des zu leistenden Tributs an den Hof der assyrischen Herrscher kamen. Sie werden sowohl in Königsinschriften als auch in Rationenlisten genannt. Die Analyse der bildliche Darstellungen nimmt in diesem Kapitel den größten Raum ein. Ausführlich werden die Musikerinnen besprochen, die auf Reliefs in den verschiedenen assyrischen Palästen dargestellt waren, wobei auch Darstellungen in die Untersuchung einbezogen werden, die heute im Original verloren und nur noch als Zeichnung erhalten sind. Nach den verschiedenen Reliefs wird das Kapitel mit der Beschreibung und Analyse der Darstellungen von Musikantinnen auf verschiedenen Elfenbeinpyxen abgeschlossen. Die Frauen spielten verschiedene Blas- und Saiteninstrumente sowie Trommeln und sind durch Kleidung und Haartracht als Angehörige verschiedener Ethnien zu erkennen. Die Autorin beschreibt nicht nur alle Szenen mit großer Detailgenauigkeit, sie gibt für die behandelten Objekte auch Größe und Fundort an und stellt die Einzeldarstellungen somit jeweils in einen größeren archäologischen Kontext. Die beiden letzten Kapitel widmen sich den Palastfrauen. In Kapitel III werden erst die als Verwalterinnen und Schreiberinnen dienenden Frauen besprochen, danach die Angehörigen der königlichen Familie, die Töchter, Schwestern und Ehefrauen der Herrscher. Das Kapitel beginnt mit einem Abschnitt zu den Besitzungen der Königinnen und der Mütter der Könige, wobei deutlich wird, daß diese Frauen über mehrere Paläste sowie über umfangreichen Landbesitz verfügten, für deren Verwaltung und Unterhalt sie männliches und weibliches Personal beschäftigten. Ihr materieller Wohlstand spiegelt sich sowohl in den Texten, welche Einblick in ihre Ausgaben gewähren und zeigen, daß sie kostbare Geschenke und Weihgaben vergeben konnten, als auch in Belegen über ihre Einnahmen. So erhielten die Frauen unter anderem Anteile an Tributgaben und an den Gastgeschenken ausländischer Gesandtschaften. Die Verwaltung der verschiedenen Residenzen der Königin und der Mutter des Königs wurde jeweils von einer Šakintu geleitet, welcher das gesamte Personal des jeweiligen Haushalts unterstand. Es folgen kürzere Abschnitte zu den Schwestern und Töchtern der Könige, von denen, wie von den nachgeborenen Söhnen, oftmals kaum mehr als der Name bekannt ist. Einige Texte belegen jedoch, daß auch Prinzessinnen mitunter über eigene Residenzen verfügen konnten. Auch in religiösem Kontext werden die Kinder des Königs genannt. Ferner ist es nicht überraschend, daß sich mehrfach Belege für dynastische Ehen assyrischer Prinzessinnen finden. Die Titel der Königinnen, MÍ.É.GAL und MÍ.KUR, werden kurz erwähnt, bevor ausführlich das Symboltier der Königinnen, der Skorpion, besprochen sowie die in Kalḫu gefundenen, reich ausgestatteten Gräber der Herrschergemahlinnen vorgestellt werden. Der letzte Teil des Buches behandelt jene Königinnen und Königsmütter, über die etwas mehr bekannt ist als nur der Name. Einzeln vorgestellt werden die Königinnen Sammuramat, die Frau Šamši-Adads V. und Mutter von Adad-nerari III., Tašmetum-šarrat, die Frau Sanheribs, Ešarra-ḫammat, die Frau Asarhaddons, und zuletzt Liballi-šarrat, die Frau Assurbanipals. Sammuramat ist die einzige Königin, von der bekannt ist, daß sie den König, ihren Sohn, zumindest einmal auch auf einem Feldzug begleitet hat; eine in der Südosttürkei in der Nähe von Maraṣ gefundene Stele erinnert an dieses Ereignis. Von Liballi-šarrat, der letzten namentlich bekannten Königin Assyriens, sind sogar zwei Abbildungen erhalten: zum einen ist sie auf ihrer Stele aus der Stelenreihe von Assur im Profil wiedergegeben, zum anderen ist sie auf dem Relief mit der berühmten Gartenszene zusammen mit dem König dargestellt. Das Relief mit der Gartenszene wird von der Autorin detailliert diskutiert. Ein eigenes Kapitel (Kapitel IV) ist ganz Naqia/Zakutu, der Frau Sanheribs und Mutter Asarhaddons, der wohl prominentesten und einflußreichsten Frau dieser Epoche, gewidmet. Da die Quellenlage für Naqia deutlich besser ist als für alle anderen Herrscherfrauen dieser Epoche, ist es möglich, zu ihren Aktivitäten im religiösen wie im politischen Bereich umfangreichere Aussagen zu machen. So geht die Autorin unter anderem ausführlich auf den Vasalleneid ein, welchen Naqia von den Großen des Reiches forderte, um die Herrschaft ihres Enkels Assurbanipal zu sichern. Dabei bleiben auch die anderen Vasalleneide der neuassyrischen Zeit nicht unerwähnt, so daß der Leser gut nachvollziehen kann, in welchem Kontext der von Naqia geforderte Eid einzuordnen ist und über welche für eine Frau der neuassyrischen Zeit ungewöhnliche Machtposition diese starke Persönlichkeit verfügte. Abgeschlossen wird das Buch von einer Zusammenfassung, der Bibliographie und Indizes zu Personennamen, geographischen Namen, Götter- und Tempelnamen sowie den zitierten und besprochenen Texten. Während die enge Verknüpfung von archäologischen und philologischen Quellen in dieser Arbeit positiv hervorsticht und die archäologischen Zeugnisse sehr detailliert behandelt werden, wirkt der Umgang mit den akkadischen Texten leider mitunter etwas unsicher. Die Autorin zitiert wiederholt Primärquellen nicht nach der entsprechenden Textedition, sondern nach der Sekundärliteratur, so u.a. auf Seite 56 Anmerkung 3, wo ein Text nach der Referenz im CAD und nicht nach der (im CAD genannten) Publikation OIP II, 151–152 Text XV zitiert wird. Diese Praxis ist für den Philologen, der mit diesem Buch arbeiten möchte, lästig, hier wäre es hilfreich gewesen, wenn bei Textzitaten konsequent auf die jeweilige Edition verwiesen worden wäre. Ähnlich werden in der Diskussion um die Priesterinnen im ersten Kapitel (S. 10) die lexikalischen Texte, in denen die verschiedenen Priesterinnen aufgelistet sind, nicht nach der Edition in MSL sondern nach der Arbeit von Richard A. Henwhaw, Female and Male. The Cultic Personnel. The Bible and the Rest of the Ancient Near East (Allison Park 1994) zitiert. Die Nutzung von lexikalischen Texten für eine Untersuchung der gesellschaftlichen Rolle einzelner Personengruppen ist nicht unproblematisch, da diese Texte zumeist eine sehr lange Tradition im mesopotamischen Schrifttum haben und in ihnen oftmals das Vokabular älterer Zeiten einfach aneinandergereiht wurde, ohne daß für uns heute sofort ersichtlich wäre, welche Bedeutung einzelne Worte zur Zeit der Niederschrift der erhaltenen Textvertreter hatten, inwiefern sich gerade bei den verschiedenen Berufs- und Funktionsbezeichnungen im Laufe der Zeit ein Bedeutungswandel vollzogen hat und ob einzelne Worte gar nicht mehr im aktiven Sprachgebrauch der Zeit vorkamen und nur noch in der gelehrten Literatur konserviert wurden, ohne daß dem Schreiber bewußt war, welche Funktionen z.B. einzelne Priesterinnen möglicherweise in früheren Zeiten eingenommen hatten.. Die Forschungsdiskussion, ob Sammuramat eine Zeit lang für ihren noch minderjährigen Sohn als Regentin gewirkt haben könnte, wird zwar von der Autorin angesprochen, die Interpretation jener Textstelle, die zu den unterschiedlichen Einschätzung der politischen Rolle der Königin geführt hat, bleibt jedoch undeutlich, denn auch hier werden die entscheidenden Zeilen aus der Inschrift der Saba'a-Stele nicht nach der modernen Edition und mit dem akkadischen Text zitiert.1 Stattdessen wird der alten Übersetzung von Daniel D. Luckenbill (von 1927) eine neuere Übersetzung nach Hayim Tadmor (von 1973) gegenübergestellt (S. 84). Die Gründe für die Veränderung in der neueren Übersetzung, die dazu führten, daß man nicht mehr davon ausgeht, Adad-nerari III. sei minderjährig auf den Thron gekommen, werden nicht erläutert. An dieser Stelle sei auf die ausführlichere Diskussion dieser Fragestellung bei Saana Svärd, Power and Women in the Neo-Assyrian Palaces (Helsinki 2012, 103–105) verwiesen. Dort findet sich auch der Hinweis darauf, daß die Herrschaft einer Königin in mesopotamischer Tradition negativ konnotiert war und als schlechtes Omen für das Land gesehen wurde. 2 Aus diesem Grund wird man in Mesopotamien weder eine Herrscherin aus eigenem Recht finden noch auch nur eine königliche Frau, welche über einen längeren Zeitraum prominent in den Quellen als Herrscherin präsent ist. Der politische Einfluß einer Frau tritt nur sehr selten in den Quellen so deutlich hervor wie bei Naqia zu Beginn der Regierungszeit ihres Enkels Assurbanipal. Zumeist wird der Einfluß einer Königin oder Königsmutter hinter dem Namen des Königs verborgen bleiben, welcher in den offiziellen Dokumenten als einziger legitim handelnder Herrscher auftritt. Um so bedeutender sind daher kurze Schlaglichter wie die Stele für Sammuramat mit dem Bericht über ihre Teilnahme an einem Feldzug und der Vasalleneid, welchen Naqia für ihren Enkel forderte, denn mit diesen Dokumenten lüftet sich für einen kurzen Moment der Schleier der offiziellen Berichterstattung, welche den politischen Einfluß einer königlichen Frau üblicherweise verbirgt, und gibt den Blick frei auf die Tatsache, daß eine assyrische Königin zumindest unter bestimmten Bedingungen durchaus die Möglichkeit hatte, signifikant Einfluß auf die politischen Belange des Staates zu nehmen. Insgesamt bietet das Buch einen gut lesbaren und sehr informativen Einblick in das Lebensumfeld ganz unterschiedlicher Gruppen von Frauen in neuassyrischer Zeit. Indem die Untersuchung sich nicht auf die königlichen Frauen beschränkt, wirft sie einen Blick auf die komplexen Gesellschaftsstrukturen dieser Epoche, eröffnet Einblicke in Bereiche dieser Gesellschaft, welche bislang nicht im Fokus der Forschung standen und wird sicher weitere Untersuchungen zur Gesellschaft der neuassyrischen Zeit motivieren.
Notes:
1. A. Kirk Grayson, Assyrian Rulers of the Early First Millennium BC II (858–745 BC), Toronto 1996, Adad-nārāri III A.0.104.6, S. 208 Zeile 11–12.
2. Siehe dazu aus der Serie Šumma izbu das Omen der Ku-Ba'u, die nach der Überlieferung als Königin geherrscht hatte und deren Omen für das Land negativ ist. Erle Leichty, The Omen Series Šumma Izbu, TCS IV, New York 1970, S. 8.
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