Tuesday, July 31, 2012

2012.07.56

Nikolaos Vakonakis, Das griechische Drama auf dem Weg nach Byzanz: der euripideische Cento Christos Paschon. Classica Monacensia, Bd 42. Tübingen: Narr Verlag, 2011. Pp. x, 184. ISBN 9783823365822. €48.00 (pb).

Reviewed by Fabian Sieber, KU Leuven (fabian.sieber@student.kuleuven.be)

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Das hier zu besprechende Buch stellt Leser(innen) und Rezensenten vor eine Herausforderung: Die stilistischen Mängel sind offensichtlich, sie erschweren Lektüre und Verständnis - doch wer ist dafür verantwortlich? Gewiss letztlich hängt alles immer am Autor, vor allem wenn dieser ein Vorwort schreibt, dass von syntaktischen und stilistischen Fehlern wimmelt. Andererseits verweist der Zustand des Buches vor allem auch auf die derzeitige Situation im Verlagswesen, in der die Institution des Lektorats ersatzlos gestrichen wurde. Ich persönlich tendiere dazu, vielleicht nicht alle, aber einen Gutteil der Probleme des vorliegenden Buches in diesem Feld zu suchen und deshalb nicht so sehr dem Autor Vorwürfe zu machen, als vielmehr den Herausgebern der Serie Classica Monacensia, die zugelassen haben, das Buch in diesem Zustand an den Verlag zu schicken, bzw. dem Narr Verlag, der die Publikation letztlich zu verantworten hat. Leider nur helfen Schuldzuweisungen niemandem etwas. Vor allem nicht dem Buch selbst. Worum geht es also in diesem Werk?

Vakonakis liest den euripideischen Cento Christos Paschon in der Tradition des griechischen Dramas. In einem ersten Teil zeichnet er deshalb die Entwicklung dieser literarischen Gattung in klassischer und nach-klassischer Zeit unter Berücksichtigung von Aufführungspraxis und christlich-patristischer Kritik am Theaterwesen nach.Die Genese der spätantik-byzantinischen Cento-Technik wird in dieser Tradition verortet (Stichwort „Imitatio"). Nicht zuletzt im christlichen Cento drückt sich deshalb, nach Ansicht des Autors, die bleibende Wertschätzung aus, die dem Vorbild der klassischen Literatur auch in einem gewandelten kulturellen Umfeld entgegengebracht wurde. Vakonakis weist jedoch darauf hin, dass die Unterschiede zwischen klassischem Drama und byzantinischem Cento größer sind als ihre Gemeinsamkeiten, weshalb der Cento Christos Paschon nur in einem uneigentlichen Sinn als „Tragödie" bezeichnet werden kann. (Und das ist der Grund, weshalb der Autor von „Tragödie" in diesem Fall nur in Anführungszeichen spricht.)

Der zweite Teil des Werkes beschäftigt sich vor allem mit den klassischen Einleitungsfragen. Auf eine knappe Darstellung der Überlieferungsgeschichte folgt ein ausführlicher Überblick über die Forschungsgeschichte, von der Editio Princeps (1542) bis ins 20./21. Jahrhundert. Diese Darstellung liest man mit großem Gewinn, da Vakonakis äußerst präzise das jeweilige Forschungsinteresse und die Ergebnisse der einzelnen Autoren zusammenfasst. Im nächsten Schritt, der Würdigung des referierten Materials, verortet sich Vakonakis selbst im Kontext dieser Forschungstradition und formuliert eigene „Überlegungen zur Autor- und Datierungsfrage". Sein Fazit ist konventionell, aber kreativ: Aufbauend auf der Schlussfolgerung, dass es sich wohl um das Werk eines unbekannten Autors handelt, das im 12.Jahrhundert geschrieben wurde, formuliert er die These, dass es sich beim Christos Paschon auch um das Produkt eines Autorenkollektivs handeln könnte, das als eine Auftragsarbeit von unbekannten Mönchen verfasst wurde (vgl. S.99f.). Als Indiz hierfür betrachtet Vakonakis die zahlreichen Vers-Wiederholungen im Text. Ebenso lesenswert sind sein Gliederungsvorschlag, bzw. seine kommentierende Zusammenfassung.

Vakonakis' Versuch, die Dramaturgie des Christos Paschon vor dem Hintergrund der antiken Tragödientheorie nachzuvollziehen, führt ihn zu dem Ergebnis, das nicht etwa – wie eigentlich zu erwarten – Jesus Christus, sondern Maria als Gottesmutter im Zentrum der Handlung steht. Unter diesen Umständen ruft das letzte Kapitel des Buches fast zwangsläufig ein wenig Wehmut hervor. Warum beschäftigt sich Vakonakis ausgerechnet mit dem Wert des Christos Paschon für die Euripides-Textkritik, statt sich um eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Werk selber zu bemühen?

Es ist zu befürchten, dass es auf diese Frage keine zufriedenstellende Antwort gibt. Ebensowenig wie auf die Frage, weshalb Zitate griechischer Sekundärliteratur nicht übersetzt werden; weshalb in der Darstellung der Forschungsfrage, ob es einen Theaterbetrieb in Byzanz gegeben hat oder nicht zwar die pro-Argumente dargestellt werden, nicht aber die Gegenargumente oder weshalb das Literaturverzeichnis dramatische Lücken aufweist. Ein Hinweis auf die zweibändige Überblicksdarstellung über „Die Geschichte des Dramas" von Fischer-Lichte etwa 1 wäre eigentlich unvermeidbar gewesen.



Notes:


1.   Fischer-Lichte, Erika: Die Geschichte des Dramas: Epochen der Identität auf dem Theater von der Antike bis zur Gegenwart. 2.Bd. Tübingen: Francke, 1990.

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