Thursday, December 2, 2010

2010.12.08

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Susan Sorek, The Emperors' Needles. Egyptian Obelisks and Rome. Exeter: Bristol Phoenix Press, 2010. Pp. xxiv, 168. ISBN 9781904675303. $31.00 (pb).

Reviewed by Andrea Schütze, Ludwig-Maximilians Universität München

Table of Contents

Obelisken gehören zu den ältesten Medien der Menschheit. In einer Mittelstellung zwischen Skulptur und Architektur sorgt der Obelisk als Symbol höchster Machtfülle über Jahrtausende hinweg für eine Verbindung zwischen himmlisch-göttlicher und irdisch-herrscherlicher Macht. Daneben erzeugt auch die in ihm verkörperte Perfektion höchster Leistungskraft eine enorme mediale Bedeutung, so dass nicht nur der Obelisk und seine symbolische Ausgestaltung, sondern bereits seine Erschaffung und insbesondere seine Aufstellung zu einem medialen Ereignis wurden. In den meisten Fällen sollte es nicht reichen, einfach nur die Gestalt des Obelisken zu kopieren, denn gerade dem originalen, dem ägyptischen Obelisken kam hohes Prestige zu, führte zu seinem Export und seiner Verbreitung bis weit über die Grenzen der Alten Welt hinaus. Und dennoch: Anders als der antike Baustil der Römer und Griechen, erfuhr der ägyptische Obelisk in den kunsthistorischen Rezeptionen nie eine kulturelle Vereinnahmung hin zur eigenen, selbstverständlichen Identifikation. Er blieb immer etwas Fremdes, etwas Besonderes.

Susan Sorek hat sich auf knapp 170 Seiten der kulturhistorisch sehr interessanten Thematik der Obelisken gewidmet und legt, wie bereits der Buchtitel verrät, ihr besonderes Augenmerk auf die Beziehung Roms zu diesem alten ägyptischen Macht-Medium.

Zahlreiche Indizierungen im Vor- und Nachspann des Buches belegen, dass sich die Autorin durchaus intensiv mit der Systematisierung der Materie auseinandergesetzt zu haben scheint. Neben einem - gemessen am Umfang des Buches - doch sehr ausführlichen Inhaltsverzeichnis, sind insbesondere der nach Ländern geordnete Index heute noch stehender Obelisken (STANDING OBELISKS AND THEIR PRESENT LOCATION, XIII - XV), sowie ihre Chronologie (CHRONOLOGIES, XVII—XXIV) lobend hervorzuheben. Die darin aufbereiteten Daten ermöglichen dem Leser bereits im Vorfeld eine schnelle Übersicht über die Materie. Eine Karte, die helfen würde, die Überzahl der in Rom befindlichen Obelisken auch visuell zu lokalisieren, fehlt, wäre jedoch wünschenswert gewesen.

In 18 Kapiteln vermittelt die Autorin einen Überblick über die Geschichte der Obelisken, die - wie die Autorin bereits in Vorsatzpapier bemerkt - „a general guide to the obelisks that have found their way to the four corners of the earth“ sein soll. An dieser Zielsetzung eines einführenden Überblicks ist das Buch zu messen.

Inhaltlich lassen sich die einzelnen Kapitel thematisch oder chronologisch gruppieren, wobei nicht immer eingängig ist, weshalb die eine oder andere Kapitelunterteilung vollzogen wurde. So beschreibt die Autorin im ersten Kapitel (THE CULT OF THE SUN STONE. THE ORIGINS OF THE OBELISKS, 09-15) den religiös-symbolträchtigen Hintergrund, vor dem die Entwicklung des Obelisken zu sehen ist. Im folgenden Kapitel (CREATED FROM STONE: HOW EGYPTIAN OBELISKS WERE MADE, 17-27) erläutert sie das Brechen des Gesteins, seine Bearbeitung und den Transport des Obelisken bis hin zu dessen Aufstellung. Positiv hervorzuheben ist, dass sie die dem Material eigene Semantik, besonders aber die der Herstellungsleistung innewohnende Bedeutung, anspricht 1. Diese Unterteilung ist nachvollziehbar. Andere hingegen nicht. Völlig unklar blieb, weshalb in einem Buch, dessen Schwerpunkt auf Roms Beziehung zu den Obelisken liegt, die Geschichte Ägyptens in der Einleitung/Introduction, nicht hingegen in „Kapitel eins“, erscheint und weshalb erst im Kapitel 17 (THE OBELISK. BUILDERS AND THE STANDING OBELISKS OF EGYPT, 137-145) - vollkommen zusammenhangslos - von den auftraggebenden Pharaonen die Rede ist.2. Bedauerlicherweise ist der Autorin gerade die Einführung am wenigsten gelungen. Gemessen an der Zielsetzung eines „general guide“ dürfte sie einem mit der Geschichte Ägyptens weniger vertrauten Leser nur sehr schwer verständlich erscheinen. Die Autorin setzt hier zu viel Wissen voraus und bewegt sich sehr unzusammenhängend durch die Zeit. Eine beigefügte Karte, die nicht im Ansatz die erwähnten Orte des Geschehens wiedergibt, unterstreicht einen negativen Eindruck, den die Einleitung hinterlässt. Dem Gesamteindruck des Buches wird dies indes nicht gerecht, weil die Autorin insgesamt durchaus gut zu erklären und den Leser mit einem flüssigen Stil zu führen vermag.

In Zusammenhang mit der bereits geführten Kritik an diesem Buch kommt man nicht umhin, seine bedeutendste Schwäche zu erwähnen. Die Abbildungen sind ein sehr bedauerliches und dem sonstigen Wert des Buches nicht gerecht werdendes Manko: Entweder sind sie vollkommen unzureichend, wie das bereits erwähnte Beispiel der nahezu untauglichen Landkarte Alt-Ägyptens, oder sie stehen (keinesfalls selbsterklärend) ohne Bezug zum Text, wie die Abbildung der Sonnenuhr des Augustus auf dem Marsfeld. Im Text wird sie zwar von Susan Sorek durchaus eingehend besprochen, jedoch erklärt sich damit keinesfalls die beigefügte Abbildung. Schwarz-Weiß-Abbildungen der Obelisken sind grundsätzlich nicht zu kritisieren, jedoch erweist sich deren Bildauswahl und –qualität als durchaus problematisch. Teilweise weisen die Abbildungen eine sehr schlechte und eigentlich nicht mehr zu tolerierende Bildqualität auf, so etwa der Obelisk auf dem Petersplatz in Rom. Teilweise verbleiben die beschriebenen Obelisken gänzlich unbebildert, während der Obelisk der Piazza Navona hingegen gleich in vier Abbildungen vorgestellt wird, die kein Mehr zur Erhellung des Sachverhaltes beitragen.3 Anstelle wenig erhellender Abbildungen wäre es daher wünschenswert gewesen, dass wichtige und von der Autorin auch ausführlich beschriebene Bilddarstellungen auf den Obelisken durch eine brauchbare Abbildung ergänzt worden wären.4

Dem Literaturverzeichnis des 2010 erschienen Buches hätte man vielleicht auch weitere Werke, wie das 2009 erschienene Buch „Obelisk“ von Curran u.a. hinzufügen können. Auch die Beiträge von Edmund Buchner und Michael Schütz zum Horologium Augusti, sowie die Arbeit von Katja Lembke hätte man einfügen können, auch deshalb, weil die Autorin die in diesen Publikationen behandelten Themenkreise ganz ausführlich angesprochen hat 5. Angesichts dieser Kritikpunkte sollen kleinere, offensichtliche Unrichtigkeiten nicht weiter bewertet werden.6

Die geübte Kritik war hauptsächlich in der formalen Gestaltung des Buches begründet. Nun sollen ganz besonders die inhaltlichen Vorzüge dieses Werkes lobend hervorgehoben werden.

Der gerade für einen „general guide“ wichtige, eingängige Stil der Autorin fand bereits Erwähnung. Besonders überzeugt allerdings das kulturspezifische Einfühlungsvermögen der Autorin, das beim Lesen immer wieder begegnet. Susan Sorek reflektiert nicht allein die Geschichte der Obelisken vor der Folie der römischen Kaiserzeit und ihrer späteren Rezeption in Renaissance, Barock und späterer Neuzeit. Sie schreibt keine Geschichte aus der Sichtweise des Abendlandes, dem die Obelisken begegnen, sondern sie versteht es vielfach, diese Perspektive umzukehren. Gerade hier kommt den Kapiteln mit starkem Ägyptenbezug eine tragende Bedeutung zu. Mit dieser Einstimmung vermitteln sie einem Leser des klassisch-antik geprägten Abendlandes eine interessante Wahrnehmung. Susan Sorek beschreibt nicht ein Herannahen ägyptischer Kultur an die römische, sondern sie schickt umgekehrt den Leser mit den Obelisken und der ägyptischen Kultur nach Rom. So erfährt der Leser viel vom Clash zweier Kulturen: Das alte Ägypten begegnet mit seinen sehr intensiv aufgeladenen Medien vergangener Macht dem vergleichsweise jungen Rom, das - immer noch aufstrebend und mächtig - sich zusehends medial neu zu definieren sucht. So entstehen von römischer Seite interessierte Begehrlichkeiten an den für Rom neuen medialen Kommunikationsformen absoluter Machtvollkommenheit. Andererseits erzeugen gerade Geschwindigkeit und Intensität des Fremdeinflusses Ängste und Ablehnungen, schüren Gegenbewegungen bis hin zur Verfolgung, die jedoch den fortschreitenden Zeitgeist nicht mehr aufzuhalten vermögen und zwangsläufig zum Scheitern verurteilt sind. Am Ende hat das Fremde seinen Platz als unverzichtbarer Bestandteil öffentlicher Präsentation gefunden.

Susan Sorek liefert auf knapp 170 Seiten ein spannendes Kapitel des Kulturaustausches, das jeden interessierten Leser aufhorchen lässt und damit deutlich über das gesetzte Ziel eines „general guide“ hinausreicht.


1. So schreibt sie auf Seite 19: „On an inscription at the base of one of the obelisks still standing at Karnak (25), Queen Hatschepsut recorded that the work took seven months”.
2. Eine weitere nicht ganz nachvollziehbare Kapitelunterteilung findet sich zwischen dem sechsten („AUGUSTUS AND THE OBELISKS“, 45-52) und siebten Kapitel („OTHER AUGUSTAN OBELISKS“, 53-58).
3. In Abbildung 8 findet sich die Bildunterschrift “Inscriptions on the Navona obelisk, showing Domitian as pharoah (sic!)”. Die dazu gebotene Detail-Abbildung lässt den Pharao Domitian im Schatten und in der Ecke des unteren Bildrandes allerdings kaum erkennen.
4. So hätten beispielsweise zu den Beschreibungen auf S. 14 oder 46 Detail-Abbildungen, vergleichbar jenen auf den Seiten 111 bis 113, viel bewirken können.
5. Brian A. Curran / Anthony Grafton / Pamela O. Long / Benjamin Weiss, Obelisk. A History, Cambridge (Mass.) 2009. Aus zahlreichen Abhandlungen beispielsweise Edmund Buchner, Horologium Augusti. Neue Ausgrabungen in Rom, in: Gymnasium 90 (1983), S. 494-508. Michael Schütz, Zur Sonnenuhr des Augustus auf dem Marsfeld, in: Gymnasium 97 (1990), S. 432-457. Katja Lembke, Das Iseum Campense in Rom. Studie über den Isiskult unter Domitian, Heidelberg 1994.
6. So gibt Susan Sorek beispielsweise auf S. 76 die Herrschaftsdauer der Flavier unrichtig bis zum Jahr 98 n. Chr. an. Auch erscheint mir ihre Bewertung „His [i.e. Titus´] brother, Domitian, then became emperor purely through his family connection“ situativ betrachtet nicht ganz glücklich formuliert. Das „System der Besten“, das dem späteren Adoptivkaisertum als Ideal vorschwebte, fand in der imperialen Praxis des ersten Jahrhunderts keine Umsetzung. Im Gegenteil: Eine Empfehlung für das Herrscheramt durch vorherige Auszeichnungen war eher die Ausnahme als die Regel, so dass dies im Falle Domitians keiner besonderen Erwähnung bedurfte hätte; auch deshalb nicht, weil Susan Sorek im Folgetext keineswegs auf die nicht zuletzt durch die damnatio memoriae bedingten Anlastungen gegen Domitian eingeht.

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